Fahren oder stehen wir? Ich schaue aus dem Fenster, aber ich sehe nur schwarze Dunkelheit. Normalerweise hat man dieses Gefühl im Bauch, man spürt die Vibration des fahrenden Zuges. Aber ich habe dieses Gefühl schon lange nicht mehr. Zu oft verbringe ich die Zeit meines einzigen Lebens in Bussen, Bahnen und eben Zügen. Zugfahrten sind unberechenbar, ereignen sich doch jedes Mal verschiedene Dinge. Eine Gruppe unterschiedlichster Leute auf einem relativ engen Raum. Ich sehe da jede Sorte Mensch (sofern man sie in oberflächliche Kategorien einteilen kann): Geschäftsleute, alte und junge Leute, reiche und ärmere, rücksichtslose Personen. Sie hören ihre Musik mit vollster Lautstärke das gesamte Abteil darf sich darüber freuen. Die rücksichtsvollen Personen fallen hingegen erstaunlich positiv auf: Sie lächeln freundlich, einfach so oder wenn man sie um Durchgang bittet, sie bieten einem Tee, Zigaretten und Aschenbecher an. Aber eines ist an Zugfahrten doch immer gleich: Es gibt immer eine Verspätung. Das Musikprogramm wechselt auch, doch oft ist das Ergebnis enttäuschend. Doch manchmal hat man Glück und hört die wunderbare, melancholische, schön-traurige Oper „Mater“ von Vladimír Godár. Schlimme Erinnerungen töten auf Raten.
Die einen hören Musik, andere lesen Bücher, Zeitungen oder Illustrierte, manche trinken Bier, andere Kaffee und manche machen gar nichts, sitzen da und glotzen durch die Gegend oder reden stundenlang mit anderen ohne dabei etwas zu sagen. Zigarettenqualm steigt hinter den hässlichen, schmutzig-grünen Sesseln empor und man hört die Leute auf abscheulichste Art und weise husten. Müde ich werde immer müde bei diesen Fahrten. Schlafen kann ich aber nicht. Entweder ist es zu unbequem oder mir graut es vor dem Bild mit weit geöffnetem Mund dazusitzen, um dann später eine ganze Wüste darin zu spüren. Oder aber ich habe Angst, meine Haltestelle zu verpassen, um dann noch später bei ihm anzukommen. Das könnte ich mir nicht verzeihen! Die letzte Alternative des schlechten Schlafs in Zügen äußert sich bei mir durch die fürchterlichsten Alpträume, die einem Übelkeit und ein tiefes schlechtes Gefühl hinterlassen. Meine einzige Zuflucht besteht in einem übermäßigen Konsums von Kaffee und Zigaretten. Der Kaffee ist hier aber immer viel zu teuer und er schmeckt noch nicht einmal gut. In der letzten halben Stunde steigern sich die Vorfreude und das Verlangen ins Unermessliche. Jede verbleibende Minute wird zu einer peinvollen Qual, das Herz schlägt so schnell und stark, dass ich Angst habe, das Bewusstsein zu verlieren. Doch dann dann ist das Ziel erreicht und alle Gedanken an das Negative sind verschwunden. Er ist es wert. Jedes Mal...
Ähnlich wie im Zug begibt es sich auch in Cafés. Das Verhalten der Menschen untreinander dort differiert jedoch sehr stark, denn es hängt von dem Spektrum der gegebenen Möglichkeiten ab. Es gibt Cafés, in denen liegen Zeitungen, Zeitschriften und Bücher aus. In anderen Cafés wiederum kann man Gesellschaftsspiele spielen oder es gibt einen Kicker oder Billardtisch. Wenn ich alleine bin, trinke ich persönlich Kaffee am liebsten während des Lesens und wenn ich in Gesellschaft bin, unterhalte ich mich. Ich beobachte aber immer öfter, dass sich zwei oder mehr Menschen treffen, um dann „alleine“ zu lesen oder lange Gesprächspausen einzulegen, um sich auf das Mobiltelefon zu konzentrieren. Sie suchen offensichtlich immer den Kontakt zu Menschen, mit denen sie gerade nicht zusammen sind. Es ist eine Art Flucht, denn auf diese Art und Weise entgehen sie der Möglichkeit wirklich auf eine Person einzugehen. So bleibt alles an der Oberfläche, die Gespräche sind inhaltlich und zeitlich stets begrenzt. Sie können sich selbst sagen, sie pflegten zahlreiche soziale Kontakte und fühlen sich dadurch beruhigt. Sie glauben, nicht alleine zu sein, halten sich für beliebt und können abends in Ruhe einschlafen. Es gibt aber auch Leute, die sich sehr intensiv und lautstark unterhalten. Leider kristallisiert sich dabei ziemlich oft heraus, dass jeder nur sich selber reden hören möchte. Wenn der Eine fertig ist, beginnt der andere, während der eine „abschaltet“ und sich wahrscheinlich überlegt, was er noch gerne erzählen möchte. Sie gehen in keinster weise aufeinander ein. Ein weiteres, äußerst interessantes Phänomen stellt sich durch Paare dar. Auch da gilt es erneut zu differenzieren: Es gibt solche Paare, die permanent Händchenhalten oder sich küssen müssen. Sie reden meistens nicht, schauen rastlos durch die Gegend, bis sich ihre Blicke treffen, sie leicht lächeln, um sich dann wiederholt zu küssen. Andere Paare erkennt man allerdings erst nach längerer Zeit, denn sie sitzen weiter auseinander, sich gegenüber oder nebeneinander mit einem freigelassenen Stuhl dazwischen, auf dem auch noch die Garderobe abgelegt wurde. Sie unterhalten sich sehr distanziert und entfremdet, man sieht keine Liebe, keine Leidenschaft. Aber er zahlt für beide, hilft ihr in den Mantel und sie verlassen gemeinsam das Café
To be continued